"Die innere Kündigung"

von Stephan Möller

Seit einiger Zeit plagt sich der Ausbilder Klinke schon mit der Vermutung, doch so recht sicher war er sich nicht. Wenn er doch nur die Ursachen kennen würde. An Ihm kann es ja schließlich nicht liegen - oder doch? Es ist schon einige Monate her, dass er erstmalig beobachtete, dass sein bester Auszubildender, Carlo, von der bisher gezeigten Initiative und des für ihn schon sprichwörtlichen Ehrgeizes nichts mehr erkennen ließ. Vielmehr macht er lediglich "Dienst nach Vorschrift", hängt sich nicht mehr in die ihm übertragenen Aufgaben rein, kritisiert nicht mehr, verbessert nichts. Und jedes Mal, wenn ihn unser Ausbilder ansprach, war angeblich alles in bester Ordnung. Anfangs dachte er noch, dies sei lediglich ein vorübergehendes "Formtief". Doch dies will einfach nicht aufhören, im Gegenteil.

So oder ähnlich könnte sich die Situation aus der Sicht eines Ausbilders darstellen, der es mit einem innerlich gekündigten Mitarbeiter zu tun hat. Doch was heißt "INNERE KÜNDIGUNG"?

Ein innerlich gekündigter Mitarbeiter identifiziert sich nicht, besser gesagt nicht mehr mit dem Unternehmen und dessen Zielen. Seine Einstellung zur Tätigkeit ist geprägt durch den bewußten Verzicht auf Engagement und Eigeninitiative, er lehnt damit die wichtigsten Anforderungen an einen Mitarbeiter ab. Seine Aktivitäten werden durch die pflichtgemäße Erledigung der täglich anfallenden Routinearbeiten bestimmt. Darüber hinaus ist er nicht bereit kreativ tätig zu werden. Vielmehr verhält er sich weitgehend passiv. Seine Motivation beschränkt sich ausschließlich auf den Gelderwerb und die Art von Tätigkeiten, die gerade ausreichen, um seinen Arbeitsplatz, den er trotz der inneren Kündigung behalten will, nicht zu gefährden. Aus diesem Grunde wird er seine Ablehnung auch nicht offen zur Schau stellen, sondern vielmehr bemüht sein, seinen Vorgesetzten ein angenehmer, freundlicher, überall geschätzter und gern gesehener Mitarbeiter zu sein. Zurückhaltung im Auftreten und Bescheidenheit fallen dem innerlich gekündigten Mitarbeiter, der sowieso keine Möglichkeiten sucht, um sich zu profilieren, nicht sehr schwer.

Die Symptome und Signale der inneren Kündigung können unterteilt werden in allgemeine sowie spezielle Signale:

a.) allgemeine Signale

  • Gang, Blick, Gesichtsausdruck der Mitarbeiter strahlt Resignation, Kraftlosigkeit, Frustration oder Gleichgültigkeit aus,
  • Sprechweise der Mitarbeiter vor Dritten über Job, Firma, Chef, Kollegen, vor allem bezüglich der Zukunft hat gedämpfte oder gar pessimistische Züge,
  • Ausstattung der Flure und Räume (eigene Initiative, persönliche Note) hat sinkenden Stellenwert,
  • Kundenreklamationen nehmen zu,
  • eigene Initiativen und Vorschläge für Verbesserungen reduzieren sich,
  • keine Kritik von unten nach oben,
  • keine Beschwerden, keine Notwendigkeit "Streit" zu schlichten,
  • kein Humor, keine Witze, keine Glossen, keine Spitznamen,
  • statt dessen: Unterkühlung, Distanz, Friedhofsruhe, Pseudo-Harmonie,
  • Rückdelegation, Weiterdelegation,
  • sich dumm stellen, Scheinargumente, Verweis auf Vorschriften, die Grippe nehmen.

b) spezielle Signale im Mitarbeiter-Verhalten beim Zustand der inneren Kündigung

  • kein Interesse an Auseinandersetzungen,
  • typischer Ja-Sager geworden,
  • stets bei der Mehrheit,
  • keine Vorschläge, keine Kritik,
  • wohldosierter, klug verdeckter Konformismus,
  • Chef-Entscheidungen werden gar nicht oder nur zustimmend kommentiert,
  • Kompetenz wird nicht mehr ausgeschöpft,
  • Eingriffe in den eigenen Delegationsbereich werden gelassen hingenommen,
  • kein Karriere-Interesse mehr,
  • zunehmendes Fehlen wegen Krankheit und Familie,
  • Zurückhaltung im Auftreten,
  • sehr angenehm im Umgang.

Ursachen für eine innere Kündigung sind entweder betrieblicher oder persönlicher Natur und darüber vom alter und sozialen Netz unabhängig. Die in unserer Gesellschaft sich immer weiter verbreitende pessimistische Grundhaltung führt bei manchem Mitarbeiter zu einer inneren Emigration in der Form einer Selbstpensionierung.

Ein anderer Grund ist die Angst vor der ungewissen Zukunft. Diese Angst lähmt die Kreativität zahlreicher Mitarbeiter, auch Auszubildender oder deren Vorgesetzte.

Vielfach ist die innere Kündigung allerdings die Quittung für fehlerhaftes Verhalten von Vorgesetzten, die den erforderlichen kooperativ-situativen Führungsstil übergehen und sich meist nicht an ihren eigenen oder den Führungsrichtlinien des Unternehmens orientieren. Eine oft beobachtete Abwertung der Mitarbeiter und Auszubildenden, die unter anderem auf der Vorstellung beruht, die Mitarbeiter würden nur des Geldes wegen arbeiten und müßten deshalb ständig zur Artbeit angehalten und kontrolliert werden, ist eine mögliche Konfliktursache. Die betroffenen Mitarbeiter werden diese Form der Kontrolle als demotivierend empfinden.

Auch ständige Eingriffe in den Verantwortungsbereich der Mitarbeiter, das Aufheben getroffener Entscheidungen durch den Vorgesetzten ohne ausreichende Begründung.

Wegbereiter der inneren Kündigung durch direkte Führungsfehler sind:

  • Eingriffe in den Aufgabenbereich, Durchregieren, Vorbeiregieren, Mißachtung des Delegationsprinzips
  • Abweisen und nicht in Anspruch nehmen von Mitarbeiterberatung
  • Keine Sinngebung und Erklärung von Chef-Entscheidungen
  • Für Erfolge ist nur der Chef zuständig
  • Fehlentscheidungen durch Mitarbeiter ausbügeln und abfangen lassen
  • Fehlende oder unzureichende Übertragung von Kompetenzen, aber von Aufgaben, sprich Arbeit und Verantwortung
  • Autoritäres Verhalten bei Ziel- und Soll-Vorgaben
  • Fehlende oder unzureichende Information
  • Information als Ausdruck von Kritik und Anerkennung
  • Demotivierende Kontrolle - Mißtrauen als Grundphilosophie
  • Verletzende Form der Beurteilung der Mitarbeiter
  • "Kneifen" des Vorgesetzten bei Fehlverhalten anderer Stellen seinem Mitarbeiter gegenüber
  • Mangelndes Verständnis gegenüber persönlichen Problemen und Schwierigkeiten
  • Ungerechtigkeiten bei Lob und Tadel, Bevorzugung einzelner
  • Launenhaftigkeit, Willkür, Schikane
  • Keinerlei "Vertrauensvorschuß"
  • Wer kündigt wem

Dem Phänomen der inneren Kündigung kann nur mit Mitteln der moderen Mitarbeiterführung begegnet werden. Nur eine positive Grundeinstellung zum Auszubildenden und Mitarbeiter schafft die Rahmenbedingungen für bestmögliche Leistungen bei geringstmöglichen Kosten und größtmöglicher Zufriedenheit. Zwischen dem Auszubildenden/Mitarbeiter und dessen Vorgesetzten muß ein gesundes Vertrauensverhältnis bestehen, um beiden die Chance zur Identifikation mit der Aufgabe zu geben. Dies setzt eine Auseinandersetzung mit menschlichen Schwächen, Gefühlen und Bedürfnissen voraus.

Gegenmaßnahmen zur Bewältigung der inneren Kündigung

  • Bewußt und gekonnt führen
  • Vorbild sein und vorleben
  • Transparentes Konzept von Führung und Organisation
  • Miteinander und "psychische Tuchfühlung" schaffen, zum Beispiel durch Teamarbeit
  • Besser informieren als Dritte
  • Bewußter Einsatz der Intuition
  • Das Gespräch als bewußtes Kommunikationsmittel nutzen
  • Vertrauenbildendes Führungsverhalten:
  • Offenheit - Ehrlichkeit
  • Information ist auch Vertrauensbasis
  • Mitarbeiter ernst nehmen
  • Sich beraten lassen
  • Fehler einsehen und zugeben
  • Kontinuität - Konsequenz
  • in dubio: sich vor die Mitarbeiter stellen
  • Mitarbeiter vor Dritten herausstellen
  • Kein Mitarbeiter macht alles falsch! Also zuerst das Positive erwähnen!!
  • Vertrauensvorschuß vor allem bei Kontrolle und Zielfindung
  • Persönliche, namentliche Ansprache
  • Tue Gutes und sprich darüber - dezent, aber vernehmbar
  • Zeigen, was man als Chef kann
  • In die Betriebsversammlung gehen - gut vorbereitet!
  • Sich selbst vertrauen - Positiv und konstruktiv an die Zukunft denken
  • Zu allem: Kompetente Hilfe in Anspruch nehmen!

Hauptforderung an den Ausbilder: Sofort bei sich anfangen!!

Wichtig ist jedoch zu erkennen, daß diese Maßnahmen nicht sofort dauerhaften Erfolg zeitigen werden, sondern daß dieser Prozeß der Vertrauensbildung oft ein langwieriger und holperiger Weg mit Rückschlägen sein kann. Also nicht sofort aufgeben sondern am Ball bleiben.
Stets verfolgtes Ziel muß es sein aus Betroffenen Beteiligte und nicht aus Beteiligten Betroffene machen!

Erschienen in Ausbilder-INFO Garten-, Landschafts- und Sportplatzbau, Heft 1/1997

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